Feministische Zukunftsvisionen im Sci-Fi Film

07 déc. 2021
Feministische Zukunftsvisionen im Sci-Fi Film

Artikel auf Deutsch
Auteur: Katja Taylor

Welche Rolle spielt Gender in futuristischen Filmen? Sieht die Zukunft von Science-Fiction feministisch aus? Diese Fragen bespricht die Journalistin Tessie Jakobs heute Abend in der Cinémathèque anhand von ausgewählten Beispielen aus der Filmgeschichte. Wir haben uns vor der Kinodebatte mit Jakobs getroffen, um mehr über die Verbindungen zwischen Sci-Fi und Gender herauszufinden.

„Science-Fiction wird oft als Männergenre bezeichnet,“ erwähnt die Journalistin zum Beginn des Gesprächs. Häufig werden Sci-Fi-Filme von Männern für Männer entwickelt, führt sie weiter aus. In diesen Filmen spielen Frauen eher eine unterstützende Rolle als Randfiguren oder Liebesobjekte. Dabei eignet sich das Genre perfekt für das Erkunden von Gender-Verhältnissen: „In Sci-Fi-Filmen wird imaginiert, wie zukünftige Gesellschaften aussehen könnten und wie sich der technologische Fortschritt auf die Gesellschaft, die Politik oder die Natur auswirken wird. Dazu gehören ebenfalls Geschlechterverhältnisse, Reproduktion, Liebesbeziehungen und Elternschaft sowie das Verständnis von Geschlecht an sich,“ so die Journalistin. Auf der Suche nach diesen Geschichten ist sie auf einige spannende Zukunftsvisionen gestoßen…

Von Metropolis bis Mad Max

In Jakobs Augen weist der Stummfilmklassiker Metropolis (1927) einer der interessantesten Sci-Fi-Darstellungen von Gender auf: „Das ist nicht nur der erste Film, der künstliche Intelligenz thematisiert, sondern sie auch in weiblicher Form darstellt.“ Das Meisterwerk von Fritz Lang erzählt die Geschichte einer futuristischen Stadt namens Metropolis. Dort entwickelt der Erfinder Rotwang ein Maschinenmensch nach dem Ebenbild der Frau, die er geliebt hat, und befehlt sie, einen Klassenkampf anzuspornen und die Großstadt somit zu zerstören. Aspekte wie die Bedrohung des Patriarchats durch künstliche Intelligenz oder Frauen als das friedfertige und liebesvolle Pendant zur männlichen Destruktion werden dabei nuanciert dargestellt, vielleicht auch weil das Drehbuch des Films von Thea von Harbou, die Frau des Regisseurs, geschrieben wurde und auf ihren gleichnamigen Roman basiert.

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Metropolis, 1927 via Wikimedia Commons

Nach Metropolis muss man jedoch lange warten, bis weitere interessante Frauenfiguren in Sci-Fi-Filmen auftauchen. „In den fünfziger Jahren gab es die ein oder andere Wissenschaftlerin, wenn auch nie prominent in der Hauptrolle,“ erwähnt Jakobs. In den sechziger Jahren erfolgte ein antifeministischer Backlash als Reaktion auf die gesellschaftlichen Umbrüche der Zeit, infolgedessen wurden Frauen sehr oft als sexy Roboter dargestellt. Erst ab den achtziger Jahren kann eine positive Entwicklung erkannt werden, wo Frauen nicht nur passive Randfiguren sind, sondern die Handlung von Filmen aktiv vorantreiben, zum Beispiel in RoboCop (1987). Ab den 2000ern wird das Spektrum größer – Mad Max: Fury Road (2015) wird beispielsweise häufig als feministischer Film gedeutet – und es sind mehr weibliche Figuren in den Hauptrollen zu sehen. Aus den Filmen der letzten Jahre lassen sich einige konkrete Themen herauskristallisieren, u.a. eine Auseinandersetzung mit der Zukunft der Mutterschaft und die weibliche Kodierung von künstlicher Intelligenz.

Die perfekte Mutter

Tatsächlich ist Mutterschaft in Sci-Fi-Filmen und -serien immer wieder aufgegriffen, so Jakobs. „Auffällig ist, dass sie immer Horror-Szenarien von einer kontrollierenden Mutter präsentieren, wo die Fürsorge in Destruktion umschlägt.“ Zum Beispiel stellt die Black Mirror-Episode „Arkangel“ (2017) die Frage nach der perfekten Mutter. Was wäre, wenn die technologischen Mittel es zulassen würden, seine Kinder permanent zu überwachen? In der Episode lässt die alleinerziehende Mutter ihrer Tochter einen Chip einsetzen. Der Chip ermöglicht der Mutter es, das zu steuern, was ihre Tochter sieht und hört. Somit kann sie ihre Tochter vor unangenehme Erfahrungen schützen, indem sie diese ausblendet, aber auch kontrollieren, was sie erfahren darf und was nicht. Somit werden Fragen zur Privatsphäre eines heranwachsenden Kindes aufgeworfen sowie die Gefahren von überfürsorglichen Helikopter-Eltern thematisiert.

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Black Mirror, Arkangel, 2017 © House of Tomorrow

Der Film I am Mother (2019) spricht ebenfalls diese Gefahren an. „Auf den ersten Blick wirkt der Film wie eine feministische Utopie, es kommen nur Frauenfiguren vor,“ merkt Jakobs an. Die Menschheit ist ausgestorben und die Erde muss neu bevölkert werden. Ein Roboter namens Mother züchtet in einem Bunker Embryos und zieht ein Mädchen groß. In gewisser Hinsicht ist der Roboter die perfekte Mutter, weil er sich ununterbrochen um das Kind kümmern kann, gleichzeitig lässt er aber keinen Kontakt mit der Außenwelt zu. Es stellt sich zudem heraus, dass Mother bereits andere Kinder großgezogen hat, aber weil sie seinen Ansprüchen nicht entsprochen haben hat er sich umgebracht. „Somit kann der Film auch anti-feministisch gelesen werden, zum Beispiel als Kritik an Schwangerschaftsabbrüchen, weil der Roboter über das Leben und Tod seiner Kinder entscheidet,“ gibt Jakobs zu bedenken.

Gegenderte KI

Interessanterweise habe der Roboter Mother keine weiblichen Eigenschaften außer der Stimme, was sehr ungewöhnlich sei. Denn künstliche Intelligenz wird häufig als weiblich gedeutet, wie der Film Ex Machina (2014) veranschaulicht. Dort wird der Programmierer Caleb damit beauftragt, eine neu entwickelte KI namens Ava zu testen, um festzustellen, ob sie ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen hat. Letztendlich schafft Ava es jedoch, Caleb und den CEO des Unternehmens Nathan zu manipulieren und bricht aus der Gefangenschaft heraus. Dennoch kann auch dieser Film auch anti-feministisch interpretiert werden, so Jakobs. In Ava sehen Männer, was sie sehen wollen: „Für Nathan ist sie ein Sexroboter und für Caleb ist sie eine Frau in Not, die er retten muss.“ Im Film geht es also vielmehr um Männerfantasien und Männerängste als um Frauen. Als Gegenteil davon zitiert die Journalistin den rezenten deutschen Film Ich bin dein Mensch (2021), in dem eine Forscherin sich in einen männlichen KI-Mensch verliebt, wobei das eher eine Ausnahme sei.

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Ex Machina, 2014 © Film4, DNA Films

Tatsächlich wird in Sci-Fi-Filmen künstliche Intelligenz immer entweder weiblich oder männlich kodiert. Dabei gibt es keinen konkreten Grund dafür – Maschinen haben kein Geschlecht. Jakobs fragt sich auch warum der Roboter im Film I am Mother darauf besteht, Mother genannt zu werden: „Wieso hält er an der Geschlechterbinarität fest, wenn er die Menschheit so sehr hinterfragt?“ Es scheint jedoch interessanter zu sein, Hypermännlichkeit oder -weiblichkeit darzustellen, wenn es um Roboter geht, fasst die Journalistin zusammen. Schade eigentlich, denn eine genderneutrale Darstellung von künstlicher Intelligenz wäre eine Gelegenheit, außerhalb der traditionellen Geschlechterverhältnisse zu denken. Das wäre auch der Wunsch von Jakobs: Einen Sci-Fi-Film über eine Utopie zu sehen, in der die heutigen Unterdrückungs- und Geschlechterverhältnisse nicht mehr bestehen. „Mich würde interessieren zu sehen wie die Gesellschaft ohne diese Binaritäten funktionieren würde.“

Die Ciné-Conférence „Gender in futuristischen Filmen – Ist die Zukunft feministisch?“ findet am 7. Dezember um 18:30 in der Cinémathèque statt: https://fb.me/e/e1I60WMlu

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